Ptolemäus

Ptolemäus
Ptolemäus,
 
Claudius, griechisch Klaudios Ptolemaios, griechischer Astronom, Mathematiker und Naturforscher, * Ptolemais (Oberägypten) um 100, ✝ vermutlich Canopus (bei Alexandria) um 160. Ptolemäus wirkte im 2. Drittel des 2. Jahrhunderts in Alexandria; er erwähnt eigene astronomische Beobachtungen aus den Jahren 127-151. Aus seinem Leben ist wenig bekannt.
 
Das erste systematische Handbuch der mathematischen Astronomie ist seine um 800 von den Arabern »Almagest« betitelte »Syntaxis mathematike« (»Mathematische Sammlung«), die durch ihren Inhalt und Aufbau für alle astronomischen Handbücher bis über N. Kopernikus hinaus maßgeblich wurde. Sie enthält eine Einführung in das ptolemäische Weltsystem, die mathematischen Hilfssätze der Astronomie nebst Beweisen (astronomische Koordinaten, sphärische Trigonometrie, Sehnentafeln, Ausbau und Anwendung der Lehre von den Kegelschnitten), im dritten Buch die Theorie der Sonne (Exzenter), im vierten und fünften die des Mondes (Epizykel). Das sechste Buch widmet sich den Ursachen und Berechnungen von Mond- und Sonnenfinsternissen, die beiden anschließenden behandeln die Sterne und bringen den erweiterten Sternkatalog des Hipparch von Nikaia, der bis Tycho Brahe fast unverändert, nur wegen der Präzession auf die neue Zeit reduziert, übernommen wurde. Auf seiner Basis konnten E. Halley 1718 und J. T. Mayer 1760 durch Vergleich mit neueren Beobachtungen erstmals auf Eigenbewegungen von Sternen schließen. Die Bücher 9 bis 13 liefern die Theorie der fünf Planeten Saturn, Jupiter, Mars, Venus und Merkur.
 
Ptolemäus versuchte später, auf der Grundlage der homozentrischen Sphären des Aristoteles ebenfalls eine Sphärenkosmologie aufzubauen, die jetzt allerdings aus Teilsphären und nicht aus konzentrisch begrenzten Kugelschalen bestand, entsprechend den Ergebnissen seiner mathematischen Astronomie. Da diese materiellen Sphären räumlich gegeneinander abzugrenzen waren, ließ sich auf der Grundlage der parallaktischen Entfernungsbestimmung Erde-Mond und Erde-Sonne sowie aus den relativen Größenverhältnissen der jeweiligen Deferenten und Epizykel ein ineinander geschachteltes System mit berechenbarer Ausdehnung schaffen. Die Schrift, in der diese Kosmologie dargelegt und die äußere Sternsphäre zu 20 000 Erdhalbmessern berechnet wird (»Hypotheses planetarum«), ist vollständig erst 1967 in einer arabischen Übersetzung wieder aufgefunden worden. Die kosmologischen Anschauungen Ibn al-Haithams, die über J. de Sacrobosco und G. Peurbach auch das lateinische Mittelalter beherrschten, ließen sich dadurch ebenso als ptolemäisch nachweisen wie die mittelalterlichen Vorstellungen von der Größe des Kosmos. Ein im Wesentlichen noch heute gebräuchliches Handbuch schuf Ptolemäus mit »Tetrabiblos« (»Viererbuch«), ein noch heute fast unverändertes Regelwerk der Astrologie. Die astrologischen Berechnungen wurden von Ptolemäus allerdings auf die neue mathematische Grundlage seines »Almagest« gestellt, und die Planetenastrologie der Babylonier wurde mit der Tierkreis- und Dekanastrologie der Ägypter erstmals fest verknüpft.
 
Das geographische Weltbild wurde bis in die Neuzeit wesentlich durch die acht Bücher der ptolemäischen »Geographia« bestimmt, die allerdings selbst keine Erdkarte enthielt, sondern nur eine Anleitung zur Konstruktion von Gradnetzen (mit der ihm erstmals gelungenen Kegelprojektion; Kartennetzentwürfe) sowie die Länderaufteilung und, nach dem Vorbild von Eratosthenes, Hipparch und Marinos, die vorwiegend astronomische Lagebestimmung von rund 8 100 Orten der in der antiken Welt bekannten (nördlichen) Ökumene. Nach diesen Angaben wurden bis zum ausgehenden 16. Jahrhundert (gelegentlich um neue Entdeckungen ergänzte) Erdkarten konstruiert. - Das astronomische Werk wird ergänzt durch lange gebräuchliche Handtafeln, Kalender (Parapegma) und Schriften über Sternphasen, das Analemma und die Planisphäre (Astrolabium).
 
Neben kleineren philosophischen Schriften zur Erkenntnistheorie und einem Werk über die Schwere der Körper stammen zwei weitere Handbücher von Ptolemäus, die die behandelten Disziplinen bis in die Neuzeit kanonisch beherrschten, die »Harmonik«, die die mathematischen Musiktheorien der Antike abschließend zusammenfasst und starken Einfluss noch auf J. Keplers Vorstellungen von der »Weltharmonik« ausübte, und die nur in einer lateinischen Übersetzung erhaltene »Optik«, in der die geometrische Optik einschließlich der Reflexion (Katoptrik) im Wesentlichen im Anschluss an Euklid und Heron von Alexandria axiomatisch behandelt wird, sich aber auch erstmals eine nähere Behandlung der Brechung des Lichtes an der Grenze von Medien unterschiedlicher Dichte (Luft-Wasser, Luft-Glas, Glas-Wasser) findet. Einfalls- und Brechungswinkel maß Ptolemäus dazu mit einer graduierten Scheibe, und er kam für die Einfallswinkel zwischen 10º und 80º zu annähernd richtigen Ergebnissen, wenn er auch noch nicht nach einem Brechungsgesetz suchte.
 
Ausgaben: Geographia, herausgegeben von C. F. A. Nobbe, 3 Bände (1843-45, Nachdruck 1990); Opera quae exstant omnia, herausgegeben von J. L. Heiberg und anderen, 5 Bände (1-21898-1961); Die Harmonielehre, herausgegeben von I. Düring (1930, Nachdruck 1982); L'optique. Dans la version latine d'après l'arabe de l'émir Eugène de Sicile, herausgegeben von A. Lejeune (1956); The Arabic version of Ptolemy's planetary hypotheses, herausgegeben von B. R. Goldstein (1967).
 
 
A. von Braunmühl: Vorlesungen über Gesch. der Trigonometrie, Bd. 1 (1900, Nachdr. 1971);
 W. J. Tucker: Ptolemaic astrology (Sidcup 1962);
 O. Neugebauer: A history of ancient mathematical astronomy, 3 Bde. (Berlin 1975);
 G. Grasshoff: The history of Ptolemy's star catalogue (New York 1990).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Weltreisende des Mittelalters: Künder von wundersamen Dingen
 

Universal-Lexikon. 2012.

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